Liebe Freund*innen,
Du möchtest in Deiner Region die Probleme bei der Standortsuche bekannt machen? Eine gute Möglichkeit dafür ist die .ausgestrahlt-Ausstellung zum Thema. Auf sechs Plakaten im Format A0 sind in Bild und Text die Antworten auf wesentliche Fragen zusammengestellt. Du kannst sie im .ausgestrahlt-Shop bestellen, wenn Du einen geeigneten Platz dafür in einem gut besuchten öffentlichen Gebäude gefunden hast. Die Info-Plakate eignen sich auch als Gegenpart zur Wanderausstellung des Atommüll-Bundesamt, wenn diese in Deiner Stadt gezeigt werden sollte.
Zwei Ankündigungen:
„Über GAUkeleien und KERNkompetenzen“ ist die Überschrift einer Reihe von zwölf Online-Infoveranstaltungen, die das Fachportal Atommüllreport ab dieser Woche immer mittwochs um 18 Uhr anbietet.
Nächste Woche Dienstag (11. August) beginnt die zweite Runde der von .ausgestrahlt angebotenen achtteiligen Online-Veranstaltungsreihe „Basiswissen Standortsuche“.
In dieser Ausgabe der Infomail beschäftige ich mich mit einem Interview, das tiefe Einblicke in die Sichtweisen eines zentralen Protagonisten der Standortsuche gewährt. Doch zunächst ein Blick auf das vor einigen Wochen in Kraft getretenen Geologiedatengesetz:
Geologiedatengesetz: Fehlende Einsicht
Wenn die „Bundesgesellschaft für Endlagerung“ im Herbst die Regionen benennt, die im Suchverfahren für das Atommüll‑Lager bleiben, wird sie die wichtigste Frage der Menschen vor Ort nicht ausreichend beantworten können: Warum hier bei uns?
Wie die für die Standortsuche versprochene Transparenz auf der Strecke bleibt, weshalb dies auch mit dem im Geologiedatengesetz vorgesehenen „Datenraum“ nicht heilbar ist und welche unselige Rolle das Nationale Begleitgremium dabei spielt, erläutert meine Kollegin Angela Wolff in ihrem Beitrag.
König erzählt Märchen
Der Tagesspiegel veröffentlichte am 11. Juli ein ausführliches Interview mit Wolfram König, dem Präsidenten des Atommüll-Bundesamtes. Wer die letzten Jahre die Praxis der Standortsuche erlebt hat, wird sich beim Lesen mehr als einmal wundern. Denn was der Behördenchef da beschreibt, hat wenig mit dem tatsächlichen Suchverfahren zu tun.
Einige prägnante König-Zitate aus dem Interview, versehen mit meinen Kommentaren:
„Die Bevölkerung kann sich umfassend am Prozess beteiligen. (…) Alle gesellschaftlichen Akteure sollen gehört und beteiligt werden, ihre Sichtweisen einfließen. (…) Die Beteiligung der Menschen ist integraler Bestandteil des gesamten Verfahrens wie in wohl kaum einem anderen Prozess.“
Königs bisherige (sie ist zum 1.8. ausgeschieden) Stellvertreterin, Silke Albin, war da ehrlicher. Sie sagt: „Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass Beteiligung nicht Mitentscheidung bedeutet.“ Vorgesehen ist nur Konsultation: Alle können ihre Meinung sagen – auf niemand muss gehört werden. In der Praxis der letzten Jahre ist gerade beim Atommüll-Bundesamt deutlich geworden, dass es von Beteiligung nicht viel hält und von gut gemachter Beteiligung auch wenig versteht. Jüngstes Beispiel: Zwar lädt das Amt dazu ein, den Entwurf für die Geschäftsordnung der Teilgebiete-Konferenz online zu kommentieren. Doch die abgegebenen Kommentare sind noch nicht einmal öffentlich sichtbar. Dabei gehört dies zum absoluten Basis-Knowhow von Online-Beteiligung. Doch das Bundesamt ist dazu als Träger eines laut König so besonders partizipativen Verfahrens nicht willens oder nicht in der Lage.
„Die Suche basiert auf wissenschaftlichen Kriterien.“
Schön wär’s. Die Kriterien wurden in der Atommüll-Kommission politisch ausgehandelt und teilweise bewusst vage formuliert, weil sonst keine Einigung möglich gewesen wäre. Vage Kriterien wiederum lassen politisch motivierte Auslegungen zu.
„Auch ich werde bis zur Veröffentlichung [des Zwischenberichts] keine Kenntnisse darüber haben. (…) Das führt zu dem Problem, eine öffentliche Diskussion vorzubereiten, ohne zu wissen, welche Regionen betroffen sind.“
Dieses Problem tritt nur deshalb auf, weil König darauf gedrängt hat, den Zeitraum zwischen Veröffentlichung des Zwischenberichts und der ersten Teilgebiete-Konferenz möglichst kurz zu halten. Wäre hier mehr Vorbereitungszeit, dann wäre auch klar, welche Regionen betroffen sind.
„Wichtig ist, dass die BGE keine abschließende Festlegung trifft, welche Regionen rausfallen und welche näher betrachtet werden, sondern es ist die derzeitige Auswertung des Unternehmens. Diese vorläufige Sicht muss dann zur Diskussion gestellt werden, bevor das Unternehmen daraus eine weitere Eingrenzung vornehmen kann.“
Im Standortauswahlgesetz (StandAG) steht in §14: „Der Vorhabenträger ermittelt aus den Teilgebieten nach § 13 Absatz 1 Standortregionen für die übertägige Erkundung.“ Das bedeutet, die Gebiete, die jetzt herausfallen, sind endgültig raus. Dies ist sehr wohl eine abschließende Festlegung.
„Die Coronakrise verdeutlicht, welche zentrale Bedeutung digitale Beteiligung künftig haben wird.“
Das Bundesamt ist bisher den Beweis schuldig geblieben, dass es in der Lage ist, digitale Beteiligung auf dem Niveau zu organisieren, dass damit die reale Teilnahme vor Ort vollständig ersetzt werden kann, ohne dass es zu Qualitätsverlusten führt.
„Parteipolitisch darf nicht eingegriffen werden. Das ist die Grundlage dafür, dass Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen können, wie es am Ende zu einem Standort gekommen ist und es zumindest als fair empfinden.“
Da am Ende jeder Phase der Standortsuche der Bundestag entscheidet, welche Regionen noch im Rennen bleiben, ist es undenkbar, dass es keine parteipolitische Einflussnahme gibt.
„Hinter verschlossenen Türen, in Hinterzimmern, werden keine Entscheidungen getroffen.“
Seit drei Jahren trifft die BGE die meisten ihrer Entscheidungen, die zum Zwischenbericht führen sollen, hinter verschlossenen Türen. Die Einflussnahme des Bundesumweltministeriums auf Entscheidungen von BGE und BaSE passiert grundsätzlich hinter verschlossenen Türen. Ebenso die Entscheidungen des Bundesamtes zum Timing und der Ausgestaltung der Teilgebiete-Konferenz.
„Ob Regionen für eine sichere Endlagerung geeignet sind, entscheidet übrigens keine Landesregierung, sondern die Geologie.“
Das stimmt nur halb. Ja, es entscheidet keine Landesregierung. Aber auch nicht die Geologie, sondern der Bundestag.
Lesenswert
Der BUND äußert sich zu personellen Verflechtungen bei der Standortsuche.
Die BI Lüchow-Dannenberg hat ein juristisches Gutachten zur Fachkonferenz Teilgebiete veröffentlicht.
Termine
Für die Online-Veranstaltungen bitte anmelden:
Atommüllreport
Basiswissen Standortsuche
Mi., 5.8., 18 Uhr: Atommüllreport: Strahlung und Strahlenwirkung
Di., 11.8., 18:30 Uhr: Basiswissen Standortsuche 1: Bis in alle Ewigkeit: das Atommüll-Problem
Mi., 12.8., 18 Uhr: Atommüllreport: Atommüll in Deutschland - ein Überblick
Di., 18.8. 18:30 Uhr: Basiswissen Standortsuche 2: Jahrzehnte verschenkt: Die Geschichte der Standortsuche
Mi., 19.8., 18 Uhr: Atommüllreport: Grenzwerte - Bedeutung für die Atommülllagerung
Di., 25.8. 18:30 Uhr: Basiswissen Standortsuche 3: Verfahren! Wie die Suche ablaufen soll
Mi., 26.8., 18 Uhr: Atommüllreport: Atommüll-Lager per Gesetz: Kritischer Blick auf die Standortsuche für hochradioaktiven Müll
Di., 1.9. 18:30 Uhr: Basiswissen Standortsuche 4: Anspruch und Wirklichkeit 1: partizipativ und transparent?
Mi., 2.9., 18 Uhr: Atommüllreport: ASSE II - Wie kann die Rückholung der radioaktiven Abfälle gelingen?
Di., 8.9. 18:30 Uhr: Basiswissen Standortsuche 5: Anspruch und Wirklichkeit 2: wissenschaftsbasiert und selbsthinterfragend?
Mi., 9.9., 18 Uhr: Atommüllreport: Was wird aus Gorleben? Umgang mit dem bisherigen Standort im Endlagersuchverfahren
Di., 15.9. 18:30 Uhr: Basiswissen Standortsuche 6: Ausblick: Zwischenbericht und Fachkonferenz
Mi., 16.9., 18 Uhr: Atommüllreport: Aktuelle Probleme und Gefahren bei Zwischenlagern für hoch-radioaktive Abfälle
Di., 22.9. 18:30 Uhr: Basiswissen Standortsuche 7: Die Alternative: Wie könnte es anders gehen?
Mi., 23.9., 18 Uhr: Atommüllreport: Schacht KONRAD - Irrweg einer verfehlten Endlagerpolitik
Di., 29.9. 18:30 Uhr: Basiswissen Standortsuche 8: Wie sich was ändern lässt: Informieren, vernetzen und einmischen
Mi., 30.9. Veröffentlichung des „Zwischenbericht Teilgebiete“ durch die BGE
Mi., 30.9., 18 Uhr: Atommüllreport: Kosten und Finanzierung der Atommülllagerung
Mi., 7.10., 18 Uhr: Atommüllreport: Interpretation von Studien und Statistiken
Mi., 14.10., 18 Uhr: Atommüllreport: Uran - tödlicher Bodenschatz
Sa./So., 17./18.10.2020: Erste Teilgebiete-Konferenz in Kassel
Mi., 21.10., 18 Uhr: Atommüllreport: Gefährlicher Atommüll aus Forschungseinrichtungen
4.-7.2.2021: Zweite Teilgebiete-Konferenz in Kassel
15.-18.4.2021: Dritte Teilgebiete-Konferenz in Darmstadt
10.-13.6.2021: evtl. vierte Teilgebiete-Konferenz in Berlin
Herzliche Grüße
Jochen Stay
und das ganze .ausgestrahlt-Team