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Transparenz: Fehlanzeige
Letzte Woche war das Nationale Begleitgremium (NBG) mit seiner regulären (und damit öffentlichen) Sitzung zu Gast bei der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) in Peine. Hauptthema war die Anwendung der gesetzlich festgelegten Ausschlusskriterien, Mindestanforderungen und Abwägungskriterien durch die BGE. Wesentliche Erkenntnisse: Die Qualität der von den Bundesländern gelieferten geologischen Daten ist heterogen und macht die Vergleichbarkeit schwer. Beispiele aus dem Bereich der Ausschlusskriterien:
- Noch immer gibt es große Datenlücken, weil viele Akten nicht digital vorliegen.
- Zu den Kriterien „großräumige Vertikalbewegungen“ und „vulkanische Aktivität“ liefern die Länder bis auf wenige Ausnahmen keine Prognosen für die nächsten eine Million Jahre. Diese sind jedoch relevant.
- Zum Kriterium „Aktive Störungszonen“ sind die Daten wenig aussagekräftig. Nur neun Prozent der Störungszonen sind als aktiv eingestuft, vier Prozent als nicht aktiv. Bei 87 Prozent ist die Aktivität unbekannt. Hinreichende Informationen über die Raumlage der Störungszonen (z.B. Fallrichtung und Fallwinkel, max. Tiefe) sind nur für ein Prozent der gelieferten Störungszonen übermittelt.
- Beim Kriterium „Einflüsse aus gegenwärtiger oder früherer bergbaulicher Tätigkeit“ ist nicht bekannt, inwiefern Bohrungen teilweise abgelenkt wurden.
BGE-Geschäftsführer Steffen Kanitz: „Wir stellen fest, dass die Länder mit den Ausschlusskriterien unterschiedlich umgehen. Deswegen verlassen wir uns nicht darauf, dass alles richtig ist, was da kommt.“ BGE-Geologe Wolfram Rühaak: „Die Situation ist unbefriedigend.“
Von den geplant 100 Mitarbeiter*innen, die die Bundesgesellschaft für die Anwendung der Kriterien braucht, sind bisher erst 30 eingestellt. Trotzdem will die BGE unbedingt den Zeitplan einhalten und im 3. Quartal 2020 den „Zwischenbericht Teilgebiete“ veröffentlichen. Dieser Zeitdruck macht wenig Hoffnung auf qualitativ gute Ergebnisse.
Was noch schwerer wiegt: In Sachen Transparenz gibt es keine Fortschritte. Noch immer ist nicht absehbar, ob und wann der Bundestag das Geodatengesetz in Angriff nimmt. Dieses ist jedoch notwendig, damit Betroffene der Standortsuche die Daten einsehen können, die zu einer Auswahl ihrer Region geführt haben. Weil die Daten zum Teil von privaten Firmen im Rahmen der Rohstoffsuche erhoben wurden und in deren Besitz sind, ist eine Veröffentlichung bisher unzulässig. Doch selbst wenn das neue Gesetz noch rechtzeitig kommen sollte, ist fraglich, ob es wirklich die notwendige Transparenz herstellen wird, da die Geheimhaltungsinteressen der Rohstoffunternehmen hoch sind.
Die BGE macht bisher auch keine Anstalten, im Rahmen der derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen selbst für mehr Transparenz zu sorgen. So scheut sie den Aufwand, die von den Ländern gelieferten Daten danach zu sortieren, ob Rechte Dritter berührt sind oder nicht. Auch weigert sich die BGE, Zwischenergebnisse bei der Anwendung der Kriterien schon vor dem offiziellen Zwischenbericht zu veröffentlichen. Sie befürchtet, Unruhe bei potenziell Betroffenen auszulösen. Solange die Menschen die eigene Betroffenheit nicht erahnen, kann die BGE ungestört arbeiten.
Intern spricht die Bundesgesellschaft vom „D-Day“ oder auch „Tag X“, bis zu dem die Zwischenergebnisse möglichst geheim gehalten werden sollen. Dass ihr das auf die Füße fallen wird, sobald es dann doch Betroffene gibt, die sich nicht rechtzeitig informiert fühlen, haben Menschen aus verschiedenen Organisationen der Anti-Atom-Bewegung, die als Gäste bei der öffentlichen NBG-Sitzung dabei waren, deutlich gemacht. Zitat: „Mit Tag X kennen wir uns aus.“
Ex-Kommissions-Vorsitzender Müller übt massive Kritik
In die Reihe der Mitglieder der Atommüll-Kommission, die sich inzwischen kritisch zu den Ergebnissen ihrer Arbeit und zur aktuellen Standortsuche äußern (siehe Infomail 003), hat sich nun auch der damalige Ko-Vorsitzende Michael Müller eingereiht. Auf einer Veranstaltung im Wendland in der letzten Woche äußerte er sich folgendermaßen:
Zur Arbeit in der Kommission: „In der Kommission hat es viel unsauberes Verhalten gegeben.“
Dass Gorleben bei der Standortsuche trotz offensichtlicher Mängel nicht ausgeschlossen wurde: „Ich halte das weder politisch noch wissenschaftlich für das richtige Vorgehen.“
Zur Partizipation: „Ich finde die Art und Weise, wie die Bürgerbeteiligung umgesetzt wird, falsch. Die Rolle von König macht mich skeptisch.“ Gemeint ist der Präsident des Atommüll-Bundesamtes BfE Wolfram König und sein Vorgehen gegen Kritiker*innen.
Zum Zeitplan: „Der Zeitplan wird nicht eingehalten werden. Und dann wächst der Druck auf Gorleben.“
Zur Finanzierung der Standortsuche: „Der Deal mit den Unternehmen mit ihren Rückstellungen ist unanständig. Auch wenn es teurer wird, wächst wieder der Druck auf Gorleben.“
Zu den Institutionen der Suche: „BGE und BfE kämpfen gegeneinander und gemeinsam gegen das NBG.“ Und: „Ich bin mir nicht sicher, ob die mit sauberen Karten spielen. Wenn sie mit sauberen Karten spielen, dann muss Gorleben rausfliegen.“
BfE-Veranstaltungen in Landeshauptstädten
Das Atommüll-Bundesamt BfE lädt in den nächsten Wochen zu Informationsveranstaltungen zur Standortsuche in verschiedene Landeshauptstädte ein. Zwei haben bereits stattgefunden: in Kiel (siehe Infomail 001) und in Schwerin. Deutlich geworden ist dabei, dass es sich um reine Werbeveranstaltungen handelt, bei denen die Kritik am Verfahren bisher zu kurz kommt.
Die nächsten Termine:
Do., 13.6. in Potsdam
Mo., 17.6. in Hannover
Do., 20.6. in Magdeburg
Do., 27.6. in Stuttgart
Mi., 03.7. in Dresden
Do., 04.7. in München
.ausgestrahlt sucht kritische Menschen, die mit uns gemeinsam diese Veranstaltungen besuchen wollen. Hast du Interesse? Dann melde Dich bitte bei meinem Kollegen Helge Bauer (helge.bauer@ausgestrahlt.de), damit wir planen können.
Herzliche Grüße
Jochen Stay
und das ganze .ausgestrahlt-Team