AKW aus, Zukunft an

17.02.2025 | Armin Simon
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Den Erneuerbaren Energien gehört die Zukunft
Foto: Pexels / Klaudia Zolkos Urbanek

Das Abschalten der AKW vor zwei Jahren hat Deutschland sicherer und unabhängiger gemacht – und war ein entscheidender Schritt für Energiewende und Klimaschutz.

Die Energiewende geht voran

Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien erreicht neue Rekorde, die fossile Stromerzeugung ist so niedrig wie zuletzt vor 60 Jahren, die Strompreise fallen.

Die erneuerbaren Energien deckten 2024 mehr als 55 Prozent des gesamten Strombedarfs – ein neuer Rekord, der auch die Abhängigkeit von Energieträger-Importen reduziert. Seit Abschaltung der letzten AKW kommt auch der Kohleausstieg wieder voran: Die Stromerzeugung aus Steinkohle ging 2024 fast um ein Drittel zurück, die fossile Stromerzeugung insgesamt um knapp 10 Prozent. Der Börsenstrompreis fiel um 15 Prozent. 1 Der Industriestrompreis ging sogar um 30 Prozent zurück und sank damit auf das Niveau von 2017. 2

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Geben und Nehmen

Der Ausbau der erneuerbaren Energien in ganz Europa führt zu mehr grenzüberschreitendem Stromhandel. Das ist sinnvoll – und kein Zeichen von Abhängigkeit.

EU-weit erzeugten Sonne, Wind, Wasser und Biomasse 2024 fast 8 Prozent (!) mehr Strom als noch ein Jahr zuvor. Immer häufiger ist deshalb auf dem europäischen Strommarkt viel günstiger Ökostrom im Angebot. Kann ein Kraftwerk seine Leistung flexibel regeln, drosselt es zu diesen Zeiten seine Produktion oder macht Pause. In vielen Ländern, auch in Deutschland, ist so die fossile Stromerzeugung 2024 auf ein neues Rekordtief gefallen, und der Stromimport hat zugenommen. 3

Mangels genauerer Daten zur Herkunft des gehandelten Stroms legen die Statistiker*innen für Stromimporte den jeweiligen Strommix der Exportländer zugrunde. Solange in diesen Ländern also noch AKW laufen, wird auf dem Papier stets auch Atomstrom mit importiert – auch wenn real ein Überschuss an Wind- und Sonnenstrom der Anlass für den Import war. Diesen Annahmen zufolge stammte 2024 die Hälfte des nach Deutschland importierten Stroms aus erneuerbaren Energien, 27 Prozent aus Atom- und 18 Prozent aus fossilen Kraftwerken. Auf den Gesamtstromverbrauch bezogen wären das – unter den genannten statistischen Annahmen – 3,7 Prozent Atomstrom. 4

Hauptlieferland für Stromimporte nach Deutschland war erneut Dänemark, das zu mehr als 80 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt und kein einziges AKW betreibt. Der nach Deutschland importierte Strom war im Schnitt etwas günstiger als der aus Deutschland exportierte. 5

Zu keinem Zeitpunkt war Deutschland von Stromimporten „abhängig“: Wetterunabhängige Kraftwerke und Speicher mit mehr als 110 Gigawatt Leistung standen bereit, die kurzzeitig nachgefragte Höchstlast lag bei 82 Gigawatt. 6

Klima schützen, Atomkraft stoppen

Das Festhalten an Atomkraft bremst Energiewende und Ausbau der erneuerbaren Energien – behindert also, was dem Klima wirklich hilft.

Um die Folgen der Klimakatastrophe zu begrenzen, müssen die Treibhausgasemissionen möglichst schnell sinken, auch bei der Stromerzeugung. Wer auf Atomkraft setzt, bürdet anderen nicht nur das Atom-Risiko auf (unversicherte Atomunfälle, Umweltschäden, Uranabbau, Atommüll, etc.), sondern schadet auch dem Klima. Denn bis ein AKW einmal Strom produziert, gehen für Planung, Genehmigung, Bau und Inbetriebnahme locker ein, eher zwei Jahrzehnte ins Land. Durch den Ausbau von Wind- und Solarkraftwerken lässt sich fürs gleiche Geld – und deutlich schneller! – ein Vielfaches an Strom erzeugen. Zugleich bremst das Festhalten an Atomkraft den für die Energiewende notwendigen Umbau des Energiesystems aus. Die Klimakatastrophe kann so ungehindert fortschreiten.

Kernfusion – oder: die Energie der Sonne nutzen

Energie aus Kernfusion ist heute schon nutzbar, und das unschlagbar günstig: mit Solarzellen. Wozu also auf neue gefährliche Reaktoren in ferner Zukunft warten?

Könnten noch zu erfindende Kernfusionskraftwerke eine Rolle für unsere Energieversorgung spielen? Und wenn ja, wann und zu welchen Kosten? Diesen Fragen ist jüngst das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag nachgegangen. 7 Das Ergebnis ist ernüchternd und verweist so manche Wahlkampfäußerung ins Reich der Fantasie. Immense wissenschaftliche und technische Hürden wären dafür noch zu meistern, wichtige Rohstoffe stehen nicht ausreichend zur Verfügung, die Weiterverbreitung von Atomwaffen würde erleichtert, und konkurrenzfähig wären Fusionskraftwerke auch nicht. Als Ersatz für erneuerbare Energien zum Erreichen der Klimaziele scheiden sie schon rein zeitlich aus, zudem sind sie inkompatibel mit einem Stromsystem, das auf erneuerbare Energien setzt.

Günstig, gefahrlos, millionenfach erprobt und sofort umsetzbar ist hingegen die Nutzung von Kernfusionsenergie aus dem Weltall: Der Mega-Fusionsreaktor „Sonne“ versorgt die Erde gratis mit unermesslich viel Energie, die bloß noch umgewandelt werden muss – zum Beispiel mit Solarzellen und Windkraftanlagen (denn auch der Wind entsteht durch die Kraft der Sonne).

Mehr über Kernfusion

Atommüllfressende Wunder-Reaktoren

Für die Energieerzeugung der Welt sind all die angekündigten neuartigen Konzepte mehr oder weniger großer oder kleiner Atomkraftwerke so relevant wie Strom aus Feenstaub.

Die sagenumwobenen kleinen Wunder-Reaktoren der nächsten, übernächsten oder überübernächsten Generation, von denen immer wieder die Rede ist, haben eines gemeinsam: Es gibt sie bisher nirgendwo. Ob und wann es je funktionierende Exemplare davon geben wird, ist offen. Dass sie günstiger als die erneuerbaren Energien Strom erzeugen können, ist so gut wie ausgeschlossen. Die bekannten Probleme der Atomkraft – einschließlich des Atommüllproblems – lösen sie nicht. Gerade die angeblich innovativen Konzepte bergen dafür neue Risiken – etwa, weil sich waffenfähige Spaltstoffe daraus abzweigen lassen. 8 Für die Energieerzeugung der Welt sind all diese „Power-Point-Reaktoren“ (die nur in Power-Point-Präsentationen existieren) und „Small Modular Reactors“ (SMR, treffender wäre die Bezeichnung „Small Marketing Reactors“) so relevant wie Strom aus Feenstaub.

Quellen

1    Fraunhofer ISE, Energy-Charts, „Anteil erneuerbarer Energien an der Last in Deutschland“, „Fossile Nettostromerzeugung, 2022–2024“ sowie „Jährliche Börsenstrompreise in Deutschland, 2021–2024“.
2    BDEW, Strompreisanalyse Dezember 2024.
3    Fraunhofer ISE, Energy-Charts, „Gesamte Nettostromerzeugung“ sowie „Grenzüberschreitender Stromhandel zwischen allen Ländern“, 2025.
4    Bundesnetzagentur, SMARD, „Energieträgerscharfe Importe“, 2025.
5    Fraunhofer ISE, Energy-Charts, „Jährliche Außenhandelsstatistik elektrischer Strom in 2024“, 2025.
6    Fraunhofer ISE, Energy-Charts, „Gesamte Nettostromerzeugung 2024“ sowie „Installierte Netto-Leistung zur Stromerzeugung 2024“, 2025.
7    TAB, „Auf dem Weg zu einem möglichen Kernfusionskraftwerk“, Dezember 2024.
8    BASE, Studie zu alternativen Reaktorkonzepten, 2024.

Schwerpunkt-Thema Bundestagswahl 2025

Diese Artikel gehören zur Serie über die Bundestagswahl 2025 aus dem .ausgestrahlt-Magazin 63:

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    21.06.2024: Ein Jahr nach Abschaltung der letzten AKW sind die Erneuerbaren im Aufschwung, die Kohleverstromung ist drastisch zurückgegangen – Früchte des jahrzehntelangen Kampfs Hunderttausender gegen Atomkraft und für die Energiewende. Ein Überblick.
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    26.04.2024: Die Erneuerbaren haben die AKW längst ersetzt, die Reaktoren sind im Rückbau. Selbst weltweit spielt Atomkraft nur noch eine marginale Rolle. Doch die Rechten wüten weiter gegen die Energiewende. Heute: die angeblichen #AKWfiles
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Armin Simon

Armin Simon, Jahrgang 1975, studierter Historiker, Redakteur und Vater zweier Kinder, hat seit "X-tausendmal quer" so gut wie keinen Castor-Transport verpasst. Als freiberuflicher Journalist und Buchautor verfasst er für .ausgestrahlt Broschüren, Interviews und Hintergrundanalysen.

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