Der Plan wurde vor allem von großen US-Unternehmen wie Google, Meta oder Microsoft forciert und schwappte als (Wahlkampf)-Idee auch nach Deutschland: Zum Betrieb der gigantischen Rechenzentren für Künstliche Intelligenz (KI) würden künftig riesige Strommengen benötigt – und dafür sollten Atomkraftwerke gebaut oder reaktiviert werden. Nun ist auch dieser Traum zur Wiederbelebung der Atomkraft geplatzt wie eine Seifenblase.
Fest gerechnet hatten Investoren mit einem riesigen Bedarf an neuen Rechenzentren für Entwicklung und Betrieb von KI-Modellen. Sollte KI in immer mehr Lebensbereiche einziehen, würde dies gigantische Mengen an Strom verschlingen. Unternehmen wie Google und Microsoft wollten in den USA alte AKW wiederbeleben oder eigene Mini-Meiler bauen. CSU-Chef Markus Söder meint, auch Deutschland brauche neue Atomkraftwerke, u.a. wegen des „steigenden Energiebedarfs durch KI“ und kündigt eine „radikale Wende“ in der Energiepolitik an, sollte künftig die Union Deutschland regieren.
Nun kam der „Deepseek-Schock“ aus China. Dort ist es gelungen ein konkurrenzfähiges KI-Modell zu entwickeln, das nicht nur einen Bruchteil an Investitionen benötigt, sondern auch nur einen Bruchteil der von US-Firmen für ihre Technik prognostizierten Energie. Dass es einen direkten Zusammenhang mit den AKW-Plänen gibt, zeigen die Folgen: Die Aktienkurse von US-Atomkraftwerksbetreibern rutschten um bis zu 30 Prozent ab. Betroffen sind z.B. das Nuklear-Startup „Oklo“, das von Sam Altman dem Chef von OpenAI, der Firma hinter ChatGPT, geführt wird. Oklo wollte einen eigenen kleinen Reaktor konzipieren. Deepseek hat das Szenarium „Atomausbau für KI“ wegen der angeblichen riesigen Energienachfrage zumindest infrage gestellt.
Dass Atomkraft eine Lösung für den Strombedarf von KI, einer Elektroauto-Infrastruktur oder gar der Klimakrise sein kann, ist lange widerlegt. Die Kosten für den Bau von Atomkraftwerken sind enorm hoch, die Minimeiler „Small Modular Reactor“ (SMR) sind weit entfernt von einer Marktreife. Nukleare Energieprojekte bedeuten langfristige Investitionen, die sich erst über Jahrzehnte amortisieren – während Unternehmen der Tech-Branche oder die Energiewende kurzfristigere Lösungen benötigen. Und dann gibt es ja noch den Atommüll, für den es nirgends eine Lösung gibt. Und das Risiko eines schweren Unfalls, der ganze Landstriche langfristig unbewohnbar machen kann.
EU: Energiewende ohne den Einsatz von Atomkraft
Passend dazu fordern zahlreiche NGOs aus ganz Europa in einem Brief an die EU, gleiche Wettbewerbsbedingungen für Erneuerbare Energien auf den europäischen Energiemärkten und eine neue europaweite Bewertung der nuklearen Risiken. „Wir halten nichts von den Versuchen, die in jeder Hinsicht gescheiterte Atomindustrie wiederzubeleben“, heißt es in dem Schreiben an die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission für sauberen, gerechten und wettbewerbsfähigen Übergang, Teresa Ribera und Dan Jørgensen, Kommissar für Energie und Wohnen.
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Faktencheck: Atomkraft ist nicht CO2-neutral
23.01.2025 - Ob Alice Weidel, Elon Musk, FDP, CSU oder CDU: Mit Atomkraft das Klima schützen zu wollen, weil die Energieerzeugung durch Atomspaltung „CO2-neutral“ sei, ist ein Schwergewichts-Argument im aktuellen Bundestagswahlkampf. Was .ausgestrahlt seit Jahren immer wieder richtig stellt, hat CORRECTIV erneut gecheckt: Nein, Atomkraft ist nicht CO2-neutral.
Quellen (Auszüge): ingenieur.de, cleanthinking.de, n-tv.de, dpa
Foto: Ausschnitt Vortrag P. Widmeyer / BI Lüchow-Dannenberg