Nouhoum Keïta ist Journalist und Radiomacher sowie Mitbegründer der Organisation „Action solidarité pour les 21 villages de la commune de Faléa“, die den Bau einer Uranmine in Faléa verhindern konnte.
Faléa im Südwesten Malis ist eine Gemeinde im Dreiländereck von Mali, Senegal und Guinea. Die Gegend ist sehr reich an Bodenschätzen. Es gibt Magnesium, Lithium, Eisen, Gold und eben auch Uran. Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre hat der französische Atomkonzern Cogéma – heute Orano – Uran-, Kupfer- und Bauxitvorkommen in Faléa entdeckt. Zu dieser Zeit war ihnen das Uran nicht so wichtig. Deshalb haben sie diese Ressource nicht sofort genutzt. Erst 20 Jahre später hat man genau hingeschaut.
Die malische Regierung will aus den Bodenschätzen Kapital schlagen und hat 2007 mit der Firma Delta Explorations Inc. einen Geheimvertrag über den Abbau dieser Rohstoffe abgeschlossen. Später ist diese Aktivität an die kanadische Firma Rockgate Capital Corp. übergegangen. Rockgate veröffentlichte rasch eine Umweltverträglichkeits-Studie, wohl als „Charme-Offensive“ für die Aktionäre, und startete mit den Versuchsbohrungen. Das Unfassbare daran: Die malischen Gesundheits- und Umweltbehörden waren nicht über diese Bohrungen informiert, ebensowenig die Agence Malienne de Radioprotection (AMARAP), die malische Strahlenschutzbehörde. Die Gegend um Faléa ist zudem nur schwer zugänglich. Und die Behörden hatten zu wenig finanzielle Mittel und Kapazitäten und auch nicht genug ausgebildete Leute, um die Situation vor Ort wirklich zu prüfen oder im Zweifel sogar zu intervenieren. Da sind wir aktiv geworden.
Die Behörden sind ihrer Schutzpflicht nicht nachgekommen! Rockgate hat angefangen, unsere Umwelt zu zerstören, durch sehr tiefe Bohrungen. Die reichten bis ins Grundwasser, und in die Bohrlöcher haben sie dann Chemikalien reingepumpt. Sie haben die Felder der Bauern zerstört. Das Vieh, das an den Bohrstellen getrunken hat, ist umgekommen. Und niemand wusste, ob das nicht auch für Menschen gesundheitsschädlich ist, was die da machen.
„In die Bohrlöcher haben sie Chemikalien reingepumpt. Das Vieh, das dort getrunken hat, ist umgekommen.“
Da haben wir angefangen, in den Medien über den Skandal berichten, über das Versagen der Behörden. Wir haben angefangen, die Bevölkerung zu mobilisieren, haben sie aufgeklärt über die Gefahren, vor allem über das Radio. Und wir haben Kontakte geknüpft nach Europa, zu Abgeordneten des Europaparlaments und zu Organisationen wie dem Europäischen BürgerIn-nen Forum und den Ärzten gegen den Atomkrieg (IPPNW). So haben wir ein breites Bündnis gegen den Uranabbau gebildet. Europäische Delegationen sind nach Bamako gekommen und haben den damaligen Präsidenten getroffen und die zuständigen Minister*innen. Auf diesem Umweg haben auch die Behörden in Mali angefangen, die Frage ernst zu nehmen.
Es gab eine gemeinsame Arbeitssitzung von Minister*innen, der Bevölkerung und Vertreter*innen von Rockgate. Die französische Anti-Atom- und Strahlenschutz-Organisation CRIIRAD hat Leute in den Dörfern ausgebildet und mit Geigerzählern ausgestattet, um ein Minimum an Überwachung der Bergbauaktivitäten sicherstellen zu können. Zudem wurde eine Kommission gebildet aus Regierungsvertreter*innen, Vertreter*innen von Rockgate und der Bevölkerung, um das weitere Vorgehen zu begleiten. Dass Regierung und Behörden ihr Verhalten geändert haben und Rockgate transparenter sein musste, war ein erster Erfolg unseres Protests.
Die IPPNW hat zudem eine große internationale Konferenz in Bamako organisiert. Von 2011 bis 2015 waren wir ständig aktiv: Wir haben auf verschiedenen Ebenen mobilisiert und immer wieder aufgeklärt, was die Gefahren einer Uranmine sind, sowohl vor Ort in Faléa, als auch in Mali allgemein. Selbst die zuständigen Behörden haben schließlich mit unserer Organisation zusammengearbeitet. Sie haben verstanden, dass es schwierig ist, eine Uranmine aufzumachen, wenn die Bevölkerung dagegen ist. Darauf waren sie nicht vorbereitet. Hinzu kommt, dass der Uranpreis zurückgegangen und die politische Situation in Mali instabil ist. Deswegen liegt das Projekt im Moment auf Eis.
Das Radio hat für unsere Arbeit eine große Bedeutung gehabt, da die Gegend nur schwer zu erreichen und von vielen Informationsquellen abgeschnitten ist. Durch die Aufklärung über das Radio konnten wir den Leuten klarmachen, dass die Mine viele Probleme mit sich bringen würde – nicht nur für die Gegend, sondern für das ganze Land. Denn es gibt weder die technischen Möglichkeiten noch entsprechend ausgebildete Leute hier. Niemand hier hat die Möglichkeit, mit dem, was da geschieht, umzugehen oder auch nur die Auswirkungen abzusehen. Selbst Deutschland mit seinen ganzen Mitteln hat es nicht geschafft, alle negativen Konsequenzen des Uranabbaus zum Beispiel der Wismut in den Griff zu bekommen. In einem Land wie Mali ist das völlig unvorstellbar. Deswegen ist es absolut unverantwortlich, hier Uranbergbau zu betreiben.
Aktuell wird der Goldabbau vorangetrieben und dadurch das Ökosystem zum Teil irreversibel geschädigt. Es gibt viel Korruption in der Gegend. Dadurch ist es für uns sehr schwer, eine andere, alternative Entwicklung voranzutreiben. Überall stoßen wir auf Leute, die Teil des korrupten Systems sind. Wir haben die Regierung informiert, diese hat eingeräumt, dass diese Ausbeutung nicht in Ordnung ist – aber es passiert nichts.
Der malische Staat hat nicht genug Geld, um seinen Aufgaben nachzukommen, was Umweltbelange angeht. Deswegen ist es umso wichtiger, dass die Zivilgesellschaft sowohl in Mali als auch hier in Deutschland und Europa zusammenarbeitet, um eine weitere Ausbeutung der Uranvorkommen und anderer Rohstoffe zu verhindern und zumindest weitere negative Folgen abzuwenden.
Sobald wir die Mittel dafür haben, wollen wir jetzt in der Regionalhauptstadt Kéniéba einen Radiosender einrichten, der eine höhere Reichweite hat als der in Faléa. Den brauchen wir, um die weitere Ausbeutung der Ressourcen hier und die Zerstörung der Umwelt zu verhindern, aber auch, um uns zu organisieren und die Akteure zu vernetzen. Damit wir eine wirkliche Gegenmacht werden, die für die Umwelt streitet. Die Frauen tragen bei uns einen Hauptteil der lokalen Wirtschaft. Wenn wir Strom in der Gegend hätten, etwa durch ein Solarprojekt, würde sie dies von ermüdenden Arbeiten entlasten und sie hätten Zeit für andere Tätigkeiten. Kinder könnten mit Licht besser ihre Schulaufgaben machen. Die Gesundheitssituation würde sich verbessern, weil man dann Medikamente und Impfstoffe kühl lagern könnte. Es hätte ganz viele Vorteile, wenn es ein Minimum an Energie gäbe.
Auf der Sahel-Konferenz in Berlin Ende August gab es auch einen Workshop zum Thema Energie. Die meisten Akteure aus dem globalen Süden haben dort eine Forderung beziehungsweise einen Wunsch an die deutsche Regierung formuliert: Unterstützung für Erneuerbare-Energien-Projekte in der Sahelzone. Das wäre ein riesiger Schritt vorwärts.
Protokoll: Bettina Ackermann
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