AKW-Neubau Flamanville – auf die Plätze, fertig, verpatzt

13.09.2024 | Sarah Lahl
Baustelle des EPR Flamanville im Jahr 2010. Der Reaktor ist bis heute nicht fertig
Baustelle des EPR Flamanville im Jahr 2010
Foto: Schoella - Panoramio / Wikimedia;

Pannen, Mängel, viel zu teuer, viel zu spät: die „Inbetriebnahme“ des AKW Flamanville zeigt, dass Frankreichs Atomkurs in die Sackgasse führt

Mit 12 Jahren Verspätung war es Anfang letzter Woche soweit: Die französischen Aufsichtsbehörden gaben grünes Licht für den Start der nuklearen Kernspaltung im AKW-Neubau Flamanville. Doch während der Betreiber EDF (Électricité de France) dies als „Inbetriebnahme“ feiert, zeigt ein genauerer Blick, dass es dazu eigentlich keinen Grund gibt. Denn von einer tatsächlichen Stromproduktion ist der neue Reaktor immer noch weit entfernt. Laut dem aktuellen Zeitplan soll die Netzzsynchronisation zwar im Spätherbst dieses Jahres starten. Aus anderen Atomkraftwerksprojekten wissen wir aber, dass sich der tatsächliche kommerzielle Betrieb noch weit in die Zukunft verschieben kann. In Civaux 1 beispielsweise, dem vorletzten Reaktor, der in Frankreich in Betrieb genommen wurde, vergingen zwischen der ersten Kernspaltung im November 1997 und der tatsächlichen kommerziellen Inbetriebnahme 2002 mehr als vier Jahre.

Das Medien-Getöse um das Hochfahren von Flamanville ist vor allem ein politischer Akt, der von den zahlreichen technischen und finanziellen Problemen ablenken soll und verschleiert, dass aktuell ein unsicherer Reaktor in Betrieb genommen wird. Bereits 2026 muss der Reaktor wieder abgeschaltet werden, um den Reaktordeckel auszutauschen. An dessen Stahl wurden bereits vor Jahren Schwachstellen entdeckt. Und eigentlich – würde man die gleichen Maßstäbe ansetzen – müsste auch das Unterteil des Reaktordruckbehälters ausgetauscht werden, was aber nicht geht, da es fest verbaut ist. Obwohl der neue Deckel bereits zur Verfügung stünde, hat sich EDF entschieden, Flamanville mit dem derzeitigen defekten Deckel zu starten und diesen unnötig zu bestrahlen. Der verstrahlte Deckel wird sich so in gefährlichen radioaktiven Abfall verwandeln und sich zu den bereits gelagerten gigantischen Mengen Atommüll gesellen, von denen auch in Frankreich niemand weiß, wie man sie entsorgen soll.

Flamanville – Geschichte voller Misserfolge

Die Geschichte von Flamanville ist jetzt schon eine Geschichte voller Misserfolge. Weiterhin bestehen gravierende Mängel an der Bausubstanz. Mit 20 Milliarden Euro haben sich die Kosten gegenüber den ursprünglich geplanten 3,3 Milliarden Euro mehr als versechsfacht, die Bauzeit gegenüber den geplanten 5 Jahren mehr als verdreifacht. Dennoch lässt sich Frankreich nicht beirren und setzt für die Energieproduktion weiterhin prioritär auf seine Atomindustrie. EDF soll sechs weitere neue Anlagen bauen, die laut Plan dann ab 2035 in Betrieb gehen sollen. Und acht weitere Projekte stehen danach noch in der Pipeline – obwohl EDF akkumulierte Schulden von mehr als 64 Milliarden Euro hat. Man mag angesichts dieser Pläne nur den Kopf schütteln. Währenddessen sind Wind und Sonne weiter auf Rekordkurs: Erneuerbare erzeugen mittlerweile mehr als 50% des Stroms in der EU - und Wind und Sonne alleine mehr als Gas, Kohle und Öl zusammen. Frankreichs Weg erscheint damit umso mehr als Sackgasse.

 

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